Rückkehr zur Verbeamtung


24.4.2022

Zur Verbeamtung von Lehrkräften

Gemeinsame Aufforderung der Berliner Schulleitungsverbände - BBB, BISS, IBS und VOB -  an die zukünftigen Regierungskoalitionäre des Landes Berlin.

Die Berliner Schulleitungsverbände beobachten mit großer Besorgnis aktuell zunehmend verzerrte und teilweise sachlich falsche Darstellungen in der Diskussion um die Wiederverbeamtung der Lehrkräfte im Land Berlin. Wir erneuern deshalb unsere Forderung, die am 14.06.2021 in einer Pressekonferenz vorgestellt wurde:


Die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften ist überfällig!


Die Rückkehr zur Verbeamtung in Berlin ist für den Funktionserhalt des Berliner Bildungssystems eine sachlich nahezu unabdingbare Voraussetzung, die keinesfalls ideologischen oder Einfluss sichernden Überlegungen untergeordnet werden darf. Bis auf das Land Berlin sind des-halb alle Länder entweder zur Verbeamtung von Lehrkräften zurück gekehrt oder haben sie neu eingeführt. Selbstverständlich ist diese Maßnahme nicht dazu geeignet, bestehende Probleme der Lehrkräftebildung und Versäumnisse der Lehrkräftegewinnung in Deutschland zu lösen, sondern ermöglicht lediglich, die derzeit aktiven Lehrkräfte im Dienst des Landes Berlin sicher zu halten und die Ausgangsituation um den Wettbewerb von Lehrkräften an das übrige Bundesgebiet anzugleichen. Nur so kann die Abwanderung der ausgebildeten und gut qualifizierten Lehrkräfte gestoppt werden. Verbeamtete Lehrkräfte können ohne Zustimmung des abgebenden Bundeslandes nicht das Bundesland wechseln. Damit müsste Berlin jährlich etwa 500 Lehrkräfte weniger einstellen, da die Abwanderung dieser großen Zahl an Lehrkräften beendet wäre.
Zu den weiterhin häufig sachlich falsch vorgetragenen Argumenten des Einflusses der Verbeamtung auf die Lehrkräftegewinnung, den auftretenden finanziellen Belastungen für das Land Berlin und dem Thema der neuen Ungerechtigkeiten nachfolgend noch einmal die wesentlichen Sachargumente:
 Berlin hat – verglichen mit Hamburg – signifikant mehr Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung einstellen müssen, um seinen Bedarf auch nur halbwegs abdecken zu können. In Hamburg konnten trotz Lehrkräftemangels in den letzten Jahren fast alle Stellen mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden, in Berlin nicht einmal die Hälfte!
 Bei einer realistischen Altersgrenze von 50/52 Jahren für die Verbeamtung (und ggf. als einmaligen Vorgang im Sinne des Übergangs zur Wiederverbeamtung für Berliner Lehrkräfte, diese auch noch bis einschließlich des 55. Lebensjahres zu verbeamten) würden von den derzeit rund 22.000 angestellten Lehrkräften in Berlin über 17.000 Lehrkräfte verbeamtet werden können. Eine sukzessive Belastung des Landes Berlins durch zusätzliche Pensionszahlungen für diesen Personenkreis kommt dann erst ab dem Jahr 2036 (Altersgrenze), bzw. bei einer anzunehmenden Anpassung des Pensionsalters im neuen Landesbeamtengesetz an die übrige Republik (67 Jahre) ab 2038 sukzessiv zum Tragen. Eine tatsächliche Mehrbelastung (aus dem Saldo von Minderausgaben und Pensionszahlungen) durch verbeamtete Lehrkräfte entsteht erst nach 50 Jahren (2071). Bis dahin fallen aber erhebliche Minderausgaben für den Berliner Haushalt an. Eine angestellte Lehrkraft (E13) kostet das Land Berlin derzeit inkl. Sozialabgaben rund 7.000,- € monatlich, der Beamte nach A13 hingegen nur 5.200,- €, aktuelle Differenz 1.800,- €. Verbeamtet man also 17.000 Berliner Lehrkräfte bedeutet dies für den Berliner Bildungshaushalt eine sofortige Entlastung von über 30,6 Mio € monatlich = 367 Mio € jährlich! Als sofortige Belastung für den Landeshaushalt kämen lediglich die Hälfte der Krankheitsbehandlungskosten im Rahmen der Beihilfe für die verbeamteten Lehrkräfte hinzu (30 bis max. 50 Mio €/Jahr), sodass die sofortige Entlastung des Berliner Bildungshaushaltes tatsächlich „nur“ ca. 320 Mio € jährlich betragen würde. Bei dem durch die Corona-Lasten zu erwartenden Sparhaushalt könnte die Bildungspolitik in Berlin diese Mittel z. B. für die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen des schulischen Personals, die Sicherung des Schulneubaus und der Finanzierung der Digitalisierung in den Berliner Schulen sowie für Maßnahmen zur Lehrkräftebildung und -gewinnung jetzt wesentlich besser gebrauchen, als auf Belastungen in einigen Jahrzehnten zu verweisen, zumal auch für die gesetzliche Rentenversicherung keine Ansparungen vollzogen werden. Nach 15 bis 17 Jahren Entlastungen von jährlich rund 320 Mio € (= 5,44 Milliarden € für den gesamten Zeitraum) bis zum Wirksam werden der ersten Zahlungen zu Lasten des Landeshaushaltes durch Pensionszahlungen für diesen Personenkreis, hat die Landespolitik mindestens 15 Jahre (also drei volle Legislaturperioden) Zeit, um die Berliner Wirtschaft und den Landeshaushalt so aufzustellen, dass diese Belastungen auch problemlos getragen werden können.
 Das Argument neuer Ungerechtigkeiten mit dem Hinweis auf derzeit nur ein Drittel
verbeamteter Lehrkräfte im Land Berlin, im Gegensatz zu zwei Dritteln angestellter
Lehrkräfte, ist sachlich irreführend bzw. schlicht falsch. Berlin ist keine Insel und von
bundesweit etwas über 790.000 Lehrkräften sind im Durchschnitt ca. 14 % Angestellte, da sie die Voraussetzungen zur Verbeamtung nicht erfüllten. Senkt man die Zahl der angestellten Lehrkräfte in Berlin nun auf knapp ca. 5.000 Lehrkräfte, befindet man sich bei rund 15 % nahe dem bundesweiten Durchschnitt. Damit werden die bestehenden Ungerechtigkeiten wohl eindeutig kleiner aber leider nicht gelöst, was zumindest in dieser Größenordnung dem viel zu langen Festhalten an der Nichtverbeamtung von Lehrkräften im Land Berlin zuzuschreiben ist. Einen Nachteil, der für wenige nicht mehr zu heilen ist, als wiederum einziges Bundesland mit einer Stundenreduzierung auszugleichen, nachdem er lange Zeit bewusst in Kauf genommen wurde, erscheint vor dem aktuellen Hintergrund des bundesweiten Lehrkräftemangels als sachlich kaum nachvollziehbar. Stattdessen in einem einmaligen Vorgang der Angleichung alle Berliner Lehrkräfte bis zum vollendeten 55sten Lebensjahr zu verbeamten, würde die Zahl der nicht verbeamteten Lehrkräfte auf ein Niveau senken, das dem unteren Drittel der Quote anderer Bundesländer entspräche.
Die Berliner Schulleitungsverbände appellieren an die verantwortlichen Politiker:innen die falsche Weichenstellung in der Berliner Bildungspolitik endlich zu korrigieren und
getroffene Wahlversprechen einzuhalten.


Jörg                 Sven                       Astrid           Arndt
Raehse           Zimmerschied       Busse           Niedermöller
BBB                 BISSS                     IBS                VOB

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